Grundsteuer B nach dem Landesgrundsteuergesetz Baden-Württemberg
ist verfassungsmäßig.
Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat mit Urteilen vom 11.06.2024 entschieden, dass das
Landesgrundsteuergesetz vom 4.11.2020 verfassungsgemäß ist (Az. 8 K 2368/22 und 8 K 1582/23).
Die Revision gegen die Urteile an den Bundesfinanzhof wurde zugelassen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahr 2018 die Vorschriften zur Einheitsbewertung, die bisher Grundlage für die Bemessung der
Grundsteuer waren, für verfassungswidrig erklärt, weil die Einheitswerte der Grundstücke bezogen auf ihren Verkehrswert in
ihrer Relation nicht realitäts- und gleichheitsgerecht bemessen waren, sondern zu Wertverzerrungen geführt hatten. Das
Bundesverfassungsgericht gab dem Gesetzgeber auf, eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Der Landesgesetzgeber hat in der
Folge durch das Gesetz zur Regelung einer Landesgrundsteuer (Landesgrundsteuergesetz) vom 4. November 2020 von seiner Möglichkeit, ein
vom Grundsteuergesetz des Bundes abweichendes Landesgesetz zu erlassen, Gebrauch gemacht.
Das Landesgrundsteuergesetz unterwirft unter anderem das Grundvermögen der Grundsteuer (sog. Grundsteuer B). Der Grundsteuerwert der
Grundstücke ermittelt sich durch Multiplikation der Fläche des Grund und Bodens mit dem jeweiligen von den
Gutachterausschüssen der Kommune festgesetzten Bodenrichtwert. Durch Multiplikation des Grundsteuerwerts mit der sog. Steuermesszahl
(bei üblichen Wohngrundstücken 0,91 Promille) wird der Grundsteuermessbetrag ermittelt, auf den sodann der von der jeweiligen
Gemeinde festgelegte Hebesatz zur Berechnung der Grundsteuer angewandt wird. Gegen das Landesgrundsteuergesetz, vor allem gegen die
Bemessung des Grundsteuerwerts, wurden von den Klägern in den beiden heute entschiedenen Musterverfahren zahlreiche
verfassungsrechtliche Einwände vorgetragen. Diese hat das Finanzgericht allesamt zurückgewiesen.
Nach Auffassung des Finanzgerichts ist es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes vereinbar, dass der Landesgesetzgeber
entgegen der bisherigen Einheitsbewertung und auch abweichend von den Neuregelungen sowohl im Bund als auch in anderen Bundesländern
die Grundsteuer ausschließlich auf den Grund und Boden ohne Berücksichtigung der aufstehenden Gebäude erhebt. Der
Gesetzgeber habe nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Auswahl des Steuergegenstands einen weiten
Spielraum. Es sei deshalb zulässig, dass der Landesgesetzgeber nur den Grund und Boden eines Grundstücks mit Grundsteuer belaste
und die Gebäude außer Acht lasse.
Das maßgebliche und verfassungsrechtlich zulässige Bemessungsziel beim Grundsteuerwert sei der Verkehrswert des Grund und Bodens.
Im Verkehrswert bilde
sich sowohl das durch die kommunale Infrastruktur beeinflusste Nutzenpotential des Grund und Bodens als auch die objektive
Leistungsfähigkeit des Eigentümers ab, denn es gelte: Je höher der mit dem Grund und Boden erzielbare Ertrag, desto
höher der Verkehrswert und desto höher zugleich die objektive Leistungsfähigkeit des Eigentümers. Die Heranziehung der
Bodenrichtwerte zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage sei folgerichtig, weil der von den Gutachterausschüssen mit Hilfe der
Kaufpreissammlung abgeleitete Bodenrichtwert auf die Ermittlung des Verkehrswerts abziele und daher geeignet sei, die Grundstücke
– wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert – im Verhältnis zueinander realitätsgerecht zu bewerten. Dass dadurch
bislang in Form der Einheitsbewertung stark unterbewertete Grundstücke einer höheren Grundsteuer unterworfen würden, sei
Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und verfassungsrechtlich hinzunehmen.
Der Ansatz des Bodenrichtwerts einer Zone für alle Grundstücke dieser Zone, ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des
Einzelfalls, sei verfassungsrechtlich zulässig, weil erstens jede Verkehrswertermittlung eine mit Ungenauigkeiten verbundene
Schätzung sei und zweitens angesichts der großen Zahl zu bewertender Grundstücke – wie die alte Einheitsbewertung
gezeigt habe – andernfalls die Gefahr eines unüberwindlichen Verwaltungsaufwands der erforderlichen periodischen Aktualisierung
der Werte entgegenstehen würde. Der mit dieser pauschalen Regelung angestrebte Wertkorridor von plus/minus 30 % bezogen auf den
Verkehrswert sei deshalb verfassungsrechtlich hinnehmbar und könne durch die sog. Öffnungsklausel, wonach die Eigentümer im
Einzelfall durch Sachverständigengutachten einen abweichenden Verkehrswert nachweisen könnten, auch in Ausnahmefällen
eingehalten werden.
Die Ermittlung der Bodenrichtwerte erfordere besondere fachliche Kenntnisse und Ortsnähe. Es sei deshalb mit dem Anspruch auf
effektiven Rechtsschutz zu vereinbaren, dass den Gutachterausschüssen bei der Feststellung der Bodenrichtwerte ein
Beurteilungsspielraum zuerkannt werde und die Überprüfung durch die Finanzgerichte sich auf etwaige Unzulänglichkeiten bei
der Sachverhaltsfeststellung, methodische Fehler und die Einhaltung der hierzu ergangenen gesetzlichen Vorschriften beschränke.
Das öffentliche Interesse an der vom Bundesverfassungsgericht angeordneten Reform der Grundsteuer überwiege das Interesse der
Grundstückseigentümer an der Vorhersehbarkeit der Grundsteuerlast für den Übergangszeitraum von der erstmaligen
Feststellung der neuen Grundsteuerwerte durch die Finanzämter bis zur erstmaligen Festsetzung der Grundsteuer durch die Kommunen nach
dem neuen Gesetz. Es sei deshalb hinzunehmen, dass die konkrete Höhe der Grundsteuer derzeit noch nicht beziffert werden kann, weil
die Kommunen die ab 1. Januar 2025 geltenden Hebesätze noch nicht bestimmt haben.
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