Das Finanzamt ist berechtigt, eine bestandskräftige Steuerfestsetzung zulasten der Steuerpflichtigen bei einer falschen Vorstellung über die Verarbeitung der eingegebenen Daten zu ändern, so das Finanzgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 6. Oktober 2016 (3 K 2692/15).
Die Kläger, Eheleute, haben in ihrer Steuererklärung für 2011 unter Mitwirkung eines Steuerberaters in Anlage KAP Zeile 7 Kennzahl 10 die Summe der in den Steuerbescheinigungen verschiedener Banken ausgewiesenen Kapitalerträge erklärt und in Kennzahl 20 irrtümlich nur den in der Steuerbescheinigung einer Bank als unter Kennzahl 20 einzutragenden Betrag angegeben. Bei Durchführung der Veranlagung gab die Sachbearbeiterin die in Zeile 7 erklärten Beträge manuell in das automatische Datenverarbeitungssystem ein. Dies führte bei der Erstellung des Einkommensteuerbescheids dazu, dass nicht mehr die unter Kennzahl 10 erklärte Summe aller Kapitalerträge, sondern nur noch der in Kennzahl 20 erklärte Kapitalertrag als Einkünfte erfasst und der Besteuerung unterworfen worden ist. Die mit der Prüfberechnung ausgegebenen 25 Dokumentationshinweise erledigte die Sachbearbeiterin mit „ok“ und ihr Sachgebietsleiter gab den Fall frei. Im Rahmen einer Sicherheitsrevision beim beklagten Finanzamt wurde festgestellt, dass die Eintragung in Zeile 7 Kennzahl 20 nicht den in den Steuerbescheinigungen ausgewiesenen Einkünfte aus Kapitalvermögen entspreche und das Finanzamt diesen Fehler übernommen habe. Daraufhin änderte dieses den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid für 2011.
Das Finanzgericht entschied, das Finanzamt durfte die bestandskräftige Steuerfestsetzung nach §
129 Abgabenordnung ändern. Ein mechanisches Versehen sei „eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit“, wenn die Eintragung
des falschen Werts auf einer Unkenntnis über die richtige Eingabe zutreffend beurteilter Auswirkungen oder des zutreffend beurteilten
Sachverhalts beruhe, so im Streitfall. Die Sachbearbeiterin habe über die Bedeutung von ihr eingegebener Schlüsselzahlen zur
Datenverarbeitung geirrt und unbeabsichtigt, unrichtige Werte eingegeben bzw. insoweit die fehlerhaften Angaben des Steuerpflichtigen als
eigene übernommen. Der technische Ablauf der Verarbeitung der erklärten bzw. eingegebenen Daten sei nicht bekannt gewesen. Die
Sachbearbeiterin und ihr Sachgebietsleiter hätten von den in Zeile 7 Kennzahl 20 einzutragenden Werten eine falsche Vorstellung
gehabt. Damit sei die Übernahme des in der Steuererklärung angegebenen Betrags ein mechanischer Fehler, der auf
einer irrigen Vorstellung des Ablaufs des Rechenprogramms und der nachgereichten Anlage KAP beruhe. Eine Berichtigung sei
verschuldensunabhängig und damit zulässig, wenn sowohl die Sachbearbeiterin als auch ihr Sachgebietsleiter oberflächlich
gearbeitet haben, indem sie die Prüfberechnung nicht näher angeschaut und die dort ausgewiesenen Einkünfte aus
Kapitalvermögen keiner Plausibilitätskontrolle unterzogen haben.